„Herzlich liebe ich die Physik. Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt.“ (Lise Meitner, Brief an ihre Freundin und Biologin Elisabeth Schiemann)
Lise Meitner wurde 1878 in Wien als Tochter jüdischer, liberaler Eltern geboren. Sie hatte sieben Geschwister. Bereits als Schulkind fesselten sie naturwissenschaftliche Erscheinungen, zunächst aber konnte sie ihren Neigungen nicht nachgehen, da zu dieser Zeit Mädchen der Zugang zu höheren Lehranstalten nicht gestattet war. So verließ sie nach 8 Jahren die Mädchen-Bürgerschule und begann eine Ausbildung zur Französischlehrerin. Nach dem Examen bereitete sie sich privat auf das Abitur vor, das sie schließlich mit fast 23 Jahren extern ablegte und bestand.
Nachdem zwischenzeitlich, 1899, Frauen an der Universität Wien zugelassen worden waren, immatrikulierte sich Lise Meitner dort für Mathematik, Philosophie und Physik. Nach 8 Semestern schrieb sie ihre Doktorarbeit und promovierte 1906 als 4. Frau an der Universität Wien.
1907 entschloss sich die Physikerin nach Berlin zu gehen, um bei Max Planck Vorlesungen über theoretische Physik zu besuchen. Obgleich in Preußen den Frauen der Zutritt zur Universität immer noch verwehrt war, konnte sie an Plancks Vorlesungen teilnehmen.
Als Lise Meitner 1909 bei Otto Hahn, einem fast gleichaltrigen Kollegen, eine – unbezahlte – Stelle annahm, um auf dem Gebiet der Radiochemie zu forschen, durfte sie die Räume der Studenten nicht betreten. Als Arbeitsplatz diente ihr ein kleiner Raum im Keller, der ursprünglich als Holzwerkstatt gedacht war. Hier begann nun die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Otto Hahn und Lise Meitner, die schon von Beginn an gemeinsam Arbeiten veröffentlichten. 1913 endlich wurde Lise Meitner, die bis dato von ihren Eltern finanziell versorgt worden war, bezahltes wissenschaftliches Mitglied des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts, an dem sie 1918 eine eigene physikalische Abteilung erhielt.
Als der Erste Weltkrieg (1914 – 1918) ausbrach, ließ sie sich als Krankenpflegerin und Röntgenassistentin ausbilden und ging ein Jahr als freiwillige Helferin an die Ostfront.
1922, inzwischen eine international anerkannte Atomphysikerin, habilitierte sich Lise Meitner und wurde 1926 Professorin für experimentelle Kernphysik bis ihr 1933 Titel und Lehrerlaubnis aufgrund ihrer jüdischen Abstammung entzogen wurden. Dennoch durfte sie zunächst noch weiter experimentieren. 1934 regte sie die Versuche an, die schließlich 1938 zur Kernspaltung, der Grundlage für die Nutzung der Atomenergie, führten. Otto Hahn und seine Kollegin Meitner, die wegen der politischen Verhältnisse inzwischen im Exil in Stockholm lebte, führten auch während dieser Forschungsphase ihre enge Zusammenarbeit fort. Hahn unterrichtete seine Kollegin über den Fortgang der Forschungsarbeiten zur Kernspaltung und bat sie um Stellungnahme. Lise Meitner und ihr Neffe, der Physiker Otto Robert Frisch, entwickelten die physikalische Theorie der Kernspaltung.
1944 erhielt Otto Hahn den Chemie-Nobelpreis für den Nachweis der Uranspaltung.
Lise Meitners Leistungen, ohne die der Nachweis nicht hätte erbracht werden können, wurden erst viele Jahre später gewürdigt. Nach Jahren bekam die Physikerin 1941 an der Universität in Stockholm einen Lehrauftrag. Lise Meitner erhielt im Jahre 1943 mehrmals ein Angebot in die USA zu gehen, um an dem geheimen Atombombenbau mitzuwirken. Sie lehnte diese Angebot ab. Bis ins hohe Alter setzte sie sich für die friedliche Nutzung der neu erschlossenen Energiequelle ein. Neben ihrer Forschung galt ihr persönliches Engagement vor allem dem Einsatz für den Frieden, die bedachte Nutzung der Kernenenergie sowie der Gleichberechtigung der Frauen in den Wissenschaften.
1968 verstarb sie, mit vielen Preisen und Ehrungen ausgestattet, in Cambridge.
Seit 1992 gibt es einen Lise-Meitner-Preis für Wissenschaftlerinnen aus Natur- und Ingenieurwissenschaften.
1997 wurde ein neugefundenes chemisches Element mit „Meitnerium“ nach Lise Meitner benannt, ein Kleinplanet heißt „Meitner“, ein Krater auf dem Mond und ein Krater auf der Venus wurden nach Lise Meitner benannt, um ihre Arbeit wertzuschätzen.
Die Sozialpädagogisch-hauswirtschaftliche Schule des Kreises Borken nahm den Namen Berufskolleg Lise Meitner im Jahr 2001 an.